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01.02.2019 10 Minuten Lesezeit

Der Burger zum Löffeln

Eine Seniorin schnippelt Kohlrabi

Seine Leidenschaft fürs Kochen entflammt bereits im Kindesalter. Während der Ausbildung zum Koch fällt er bald bei Wettbewerben durch seine kreativen Neuschöpfungen am Herd auf.

Immer wieder schafft es der heute 46-jährige Andreas Becker an die Spitze der deutschen Köche. Seit fünf Jahren setzt er sich als Präsident des Verbands der Köche Deutschlands (VKD) dafür ein, junge Menschen für den Beruf zu begeistern und sich über das Tagesgeschäft hinaus zu engagieren.

Portrait Andreas Becker
Andreas Becker war 15 Jahre Küchenleiter bei den Vereinigten Hospitien in Trier, einer Stiftung öffentlichen Rechts mit dem Zweck, alten, kranken und pflegebedürftigen Menschen zu helfen. Seit Januar leitet er die Küche im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier. © VKD, Martin Joppen

Seit Januar ist er Küchenleiter im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier. Neben seinen Aufgaben dort vernachlässigt Andreas Becker eins nicht: Seinen Wunsch Menschen mit einem guten Essen eine Freude zu machen. Vor allem denjenigen, die auf Grund von Krankheiten oder des Alters beim Kauen und Schlucken eingeschränkt sind.

Im Interview erzählt Andreas Becker, warum er sich als Koch hier in besonderer Verantwortung sieht. Außerdem erklärt er, wie Gerichte für Menschen mit Kau- und Schluckstörungen schmackhaft und in angenehmer Konsistenz gelingen.

Kochen für Senioren: Sie haben schon früh angefangen, Ihrem Beruf eine ganz persönliche Note zu geben. Welches war das erste selbst kreierte Rezept, mit dem Sie Erfolg hatten?

Andreas Becker: Ich habe schon als Jugendlicher angefangen, eigene Gerichte auszuprobieren. Das macht mir bis heute sehr viel Spaß. Während meiner Ausbildung habe ich einen ganz einfachen Pfannkuchenauflauf entwickelt, der zunächst bei regionalen, später bei nationalen und internationalen Wettbewerben überzeugte. Mit 24 war ich Küchenmeister, zwei Jahre später dann im Team der Köche-Nationalmannschaft des VKD und kam viel rum, nach Singapur, Chicago, Glasgow und Luxemburg. Der Beruf Koch bringt einem viele großartige Möglichkeiten, sich selbst zu entfalten und andere mit einem leckeren Essen zu begeistern.

Kochen für Senioren: Worauf legen Sie beim Kochen für Senioren Wert?

Andreas Becker: Mit einem italienischen Salat oder trendigem Sushi kommen wir bei unseren Senioren in der Regel nicht weit. Sie freuen sich eher über Essen, das sie aus jüngeren Jahren kennen. Bei diesen klassischen Gerichten versuchen wir aber immer das Beste herauszuholen. Mein Team kocht hauptsächlich mit saisonalen und regionalen Zutaten. Neben Frische und Geschmack ist für uns auch die Optik sehr wichtig. Deshalb arbeiten wir auch, oder gerade, bei Gerichten für unsere Patienten, die beim Kauen oder Schlucken eingeschränkt sind, häufig mit natürlichen Farben und dekorativen Elementen. Weißer Reis mit weißer Soße und weißem Fisch würden bei uns zum Beispiel nie zusammen auf einem Teller landen.

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Erkennen Sie den Unterschied? Eine Pürierte Scheibe Brot mit Butter und Marmelade zum Vergleich mit dem selben Gericht in fester Form.

Kochen für Senioren: Sie haben sich seit Jahren auf die Verpflegung für Menschen mit Kau- oder Schluckstörungen spezialisiert – warum?

Andreas Becker: Ich habe vor 16 Jahren damit begonnen, mir tiefere Gedanken über pürierte und passierte Kost zu machen. Damals starb mein Vater an Krebs. Es gab zu der Zeit nicht die Möglichkeiten, pürierte Mahlzeiten mit tollem Geschmack und angenehmer Konsistenz herzustellen wie heute. Ständig nur püriertes Gemüse oder industriell hergestellte Nahrung mit immer gleichem Geschmack, das ist schnell langweilig. Ich wollte das ändern. In der Rehaklinik, in der ich damals arbeitete, gibt es viele Patienten, die sich nach einem Schlaganfall anfangs nur von Trinknahrung ernähren sollen. Sie freuen sich dann über jeden Löffel, den sie nicht als Flüssigkeit zu sich nehmen müssen. In Form gebrachte Speisen können ihre Lebensqualität enorm steigern.

Ich als Koch sehe mich zusammen mit meinem Team hier in der Verantwortung. Ich versuche mich immer in die Lage eines Patienten zu versetzen und überlege mir, worüber würde ich mich beim Frühstück oder Mittagessen freuen. Auch wenn jemand nicht kauen und nur mit Einschränkungen schlucken kann, muss er doch nicht auf ein geschmackliches Erlebnis verzichten. Es gibt heute tolle Geräte, die uns Köchen dabei helfen, leckere Gerichte für diese Menschen zu zaubern: Entsafter, Blixer, Schockfroster, Thermomix, Pacojet auf technischer Seite und Pulver zum Aufschäumen auf der biochemischen.

Kochen für Senioren: Wie sieht aus Ihrer Sicht ein optimaler Speiseplan für Menschen mit Schluck- und Essbeschwerden aus?

Andreas Becker: Zunächst achten wir immer darauf, wie stark Patienten eingeschränkt sind. Für manche müssen die Speisen laktosefrei sein, damit Geschmacksnerven wieder angeregt werden und es auf der anderen Seite nicht zu Verschleimungen kommt. Grundsätzlich arbeiten wir hier eng mit unseren Logopäden zusammen, stimmen Speisepläne und Übungen genau ab, damit der Patient bald wieder selbständig essen kann.

Ansonsten sind der Kreativität und der Qualität in Bezug auf Frische und Geschmack aber keine Grenzen gesetzt. Ich habe mich gerade zu Beginn stark an der Molekularküche orientiert und wende viele Verfahren in unserer Küche an. Zum Frühstück kann es ein hochkalorisches, manchmal auch warmes Frühstück geben. Wir pürieren zum Beispiel Brötchen, Butter, Honig oder Marmelade und bringen es dann wieder in Form.

Als Hauptgang servieren wir zum Beispiel Spaghetti, die nahezu genau so aussehen wie normale Spaghetti mit frischer, selbstgemachter Soße. Wir pürieren alles, machen anschließend die Masse wieder fest und später können unsere Gäste ihr Pastagericht mit einem Löffel genießen. Abends kann man dann zum Beispiel Brote pürieren, in Form bringen und dann je nach Grad der Schluckstörung mit Frischkäse oder Schmierwurst bestreichen. Dazu servieren wir einen frischen Salat, zum Beispiel aus Gurken, in löffelbarer Schaumform.

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Geschmacklich steht der löffelbare Burger von Andreas Becker seinem fleischigen Vorbild in nichts nach. © Andreas Becker

Kochen für Senioren: Sie haben einen Burger entwickelt, den man nicht kauen muss. Wie bereiten Sie ihn zu?

Andreas Becker: Auch beim Burger habe ich zunächst herumexperimentiert, um Geschmack und Konsistenz perfekt hinzubekommen. Das Brot backen, beziehungsweise garen, wir in Dampf. Es ist dann sehr weich und hat natürlich keine Kruste. Anstelle eines Fleischpattys bringen wir ein geschmackvolles Graupenrisotto in entsprechende Form. Das Gemüse zum Belegen entsaften wir zunächst und machen es anschließend wieder standfest.

Ich arbeite hier meist mit den Texturgebern von der Firma Biozoon oder Basic Textur. Damit gelingen kalte und warme, süße sowie salzige Espumas. Das Pulver ist geschmacksneutral und kann zum Aufschäumen von Säften, flüssigen Milchprodukten, Suppen oder zum Beispiel Saucen verwendet werden. Der Burger sieht am Ende wirklich aus wie ein Burger, unsere Patienten können ihn löffeln und zudem schmeckt er auch noch hervorragend.

Kochen für Senioren: Andreas Becker, vielen Dank für das Gespräch. Wir hoffen, Sie können mit Ihrem Engagement auch künftig Köchinnen und Köche dazu motivieren, kreativ und leidenschaftlich zu sein!

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