„Im Seniorenbereich kocht jeder sein eigenes Süppchen“
Frank Pefestorff ist Koch aus Leidenschaft, arbeitete zunächst in gehobenen Restaurants und kocht seit fast zwanzig Jahren für Senioren.
Nun möchte der Küchenleiter aus dem Eduard-Michelis-Haus in Gladbeck sich mit anderen Köchen aus Senioreneinrichtungen vernetzen. Warum und was er sich davon erwartet, erzählte er uns im Interview.
Kochen für Senioren: Herr Pefestorff, Sie möchten ein Netzwerk ins Leben rufen, das Köche aus Einrichtungen für Senioren im Ruhrgebiet verbindet – warum?
Frank Pefestorff: Nach meiner Ausbildung zum Koch war ich jahrelang im à la Carte Bereich tätig. Während dieser Zeit hatte ich oft Kontakt mit anderen Köchen, man gab sich Tipps, half sich gegenseitig. Seit fast zwanzig Jahren koche ich nun in Einrichtungen für ältere Menschen. Leider habe ich das Gefühl, im Seniorenbereich kocht jeder sein eigenes Süppchen. Als Küchenleiter verantworte ich nicht nur die Qualität und den Geschmack des Essens, ich mache mir auch Gedanken um mein Küchenteam und wie wir unsere Wohngruppen am besten versorgen. Da fühlt man sich manchmal allein, gerade wenn man Neues umsetzen möchte. Deshalb fände ich es einfach schön, wenn ich auf ein Netzwerk zurückgreifen könnte, das Köche verbindet, die täglich vor ähnlichen Herausforderungen stehen wie ich. Es würde ja auch reichen, wenn wir uns ein, zwei Mal im Jahr treffen, ich aber jeden Tag die Möglichkeit habe, einen Kollegen anzurufen, um ein bestimmtes Problem auf Augenhöhe zu besprechen oder mich zu Neuem inspirieren zu lassen.
Kochen für Senioren: Welche Herausforderungen stellt an Sie der Alltag als Küchenleiter?
Frank Pefestorff: Sehr intensiv beschäftige ich mich schon seit längerem mit dem Thema Schluckbeschwerden. Wir haben in unserem Haus im Moment über zwanzig Menschen, die nicht kauen können oder Schwierigkeiten mit dem Schlucken haben. Sie möchten am ganz normalen Leben teilnehmen, dazu gehört es auch ein Butterbrot mit Marmelade zum Frühstück zu essen oder den Geschmack eines frischen Bratens zu genießen. Ich will ihnen das ermöglich und bilde mich deshalb ständig in diesem Bereich weiter. Daneben beschäftigen mich Themen wie Frische und Nachhaltigkeit oder auch das Image des Kochberufs. Immer wieder stelle ich fest, dass Externe oft falsche Vorstellungen von der Seniorenküche haben. Sie denken, wir reißen nur Tüten mit Fertigprodukten auf. Bei uns im Eduard-Michelis-Haus ist das definitiv nicht der Fall.
Kochen für Senioren: Was machen Sie in Ihrer Küche anders, das vielleicht auch nicht den Klischees über die Seniorenküche entspricht?
Frank Pefestorff: Wir arbeiten mit frischen Zutaten und probieren immer wieder was Neues aus, gerade bei pürierter Kost und Schaumkost. Es gibt bei uns auch für Menschen mit Schluckbeschwerden jeden Tag ein anderes Frühstück. Zum Beispiel experimentiere ich gerade mit Kaffee herum, dann gibt es Brot mit Butter, Marmelade und Kaffee als Schaumfrühstück. Uns ist wichtig, dass Senioren trotz Schluckschwierigkeiten genauso gutes Essen bekommen wie alle anderen. Deshalb gibt es für sie auch immer dieselben frisch zubereiteten Gerichte wie für die anderen Bewohner. Nur, dass wir eben alles fein pürieren, aufschäumen und dann in entsprechende Form bringen. Eine Bratwurst sieht dann fast genauso aus wie eine echte Bratwurst oder das Kotelett wie ein Stück Fleisch. Der Geschmack ist auf jeden Fall identisch. Das ist toll für die Leute. Und man sieht es ihnen im Gesicht an, diese Freude, dass ihnen das auch schmeckt.
Kochen für Senioren: Welche Themen würden Sie auf die Agenda des ersten Netzwerktreffens setzen?
Frank Pefestorff: Auf jeden Fall passierte Kost und Schaumkost, die bislang in Deutschland wenig verbreitet ist. Von hundert Einrichtungen machen es vielleicht fünf. Viele kaufen die passierten Speisen fertig dazu. Dabei ist solche Ware teuer und der Nährstoffgehalt deutlich niedriger als wenn ich alles selbst herstelle. Bei unseren passierten Speisen aus Fleisch zum Beispiel kann ich sagen, dass mindestens 80 bis 90 Prozent Fleisch drin sind. Das ist doppelt so viel wie in den gängigen Fertigprodukten. Hier würde ich mich wahnsinnig gern mit Kollegen austauschen, die mehr Erfahrung als ich haben oder denen Tipps geben, die ganz am Anfang stehen. Zum Beispiel, welches Equipment man braucht und welche Anschaffungen sich zu Beginn wirklich lohnen. Auch fände ich es klasse, mir Ideen zu besonderen Aktionen im Haus geben zu lassen. Sei es, um Senioren in das Thema kochen einzubinden oder um ihnen etwas Besonderes aus regionalen, nachhaltig hergestellten Produkten auf den Teller zu zaubern. Immer aktuell sind für mich auch Konzepte für Wohngruppen: Was kann man bei der Essensverteilung optimieren, wie Küchen in den Wohneinheiten nutzen? So ein Netzwerk wäre einfach bei so vielen Themen hilfreich und ein Austausch einfach schön.
Kochen für Senioren: Wie kamen Sie auf die Idee, ein Netzwerk zu gründen?
Frank Pefestorff: Ich war im Herbst zum Seniorentag von Transgourmet in Köln eingeladen. Da haben rund 30 Köche aus Senioreneinrichtungen teilgenommen. Ute Schwendt, Einrichtungsleiterin in Lohfelden, und Koch Frank Dornsiepen haben dort ihr Netzwerk im Raum Kassel vorgestellt. Sie waren so Feuer und Flamme, da war ich sofort motiviert und habe im Nachgang alle Teilnehmer per Mail angeschrieben. Mittlerweile haben sich sechs Einrichtungen gemeldet, die Lust auf Austausch haben. Davon sind vier Seniorenheime und zwei Krankenhäuser, alle aus dem Gebiet um Leverkusen und Köln. Gerade suchen wir nach einer passenden Location und einem Termin für das erste Netzwerktreffen. Der erste Schritt ist getan und ich hoffe, dass sich uns noch viele Köche anschließen.
Über Frank Pefestorff
Frank Pefestorff hat sich im Schlossrestaurant Goldschmieding in Castrop-Rauxel zum Koch ausbilden lassen, arbeitete später in Restaurants auf Sylt, in Dortmund und Herne. Ein Jahr lang bekochte er einen späteren König von Saudi Arabien, hier kam ihm seine zusätzliche Ausbildung zum Konditor zu Gute. Ende der 1990er Jahre entschied er sich, seine Karriere im Seniorenbereich fortzusetzen, für den er sich schon lange begeisterte. Seit 2011 leitet er die Küche im Eduard-Michelis-Haus mit einem Team aus elf Mitarbeitern. Seine Liebe zum Konditorberuf lebt er auch hier aus: In der Küche der Senioreneinrichtung entstehen regelmäßig Gebäck und Torten.