Startseite Kochen für Senioren Konzepte in der Seniorenverpflegung müssen „sich voll und ganz an den Bewohnern orientieren“
11.10.2019 10 Minuten Lesezeit

Konzepte in der Seniorenverpflegung müssen „sich voll und ganz an den Bewohnern orientieren“

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Speisen aus qualitativ hochwertigen Produkten, welche den Bedürfnissen der Senioren entsprechen, aufmerksame Betreuer und eine angenehme Gestaltung der Essumgebung machen für Stephanie Hagspihl die Verpflegung von Senioren zu Genussmomenten.

Sie ist Professorin an der Hochschule Fulda und leitet dort das wissenschaftliche Zentrum für Ernährung, Lebensmittel und nachhaltige Versorgungssysteme.

Essen für Senioren ist seit Jahren einer ihrer Forschungsschwerpunkte und ein Thema, das sie als ausgebildete Hauswirtschafterin und ehemalige Leiterin eines Seniorenheims auch aus der Praxis genau kennt. Ihr Wissen und ihre Erfahrung wird sie als Mitglied der vierköpfigen Jury beim diesjährigen Wettbewerb „Vom Kostenfaktor zum Glücksfaktor“ einbringen. Welche Faktoren Verpflegungskonzepte für Senioren zum Erfolg führen, verriet sie uns im Gespräch.

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„Ich koche sehr gerne, auch wenn mir häufig die Zeit für die Zubereitung aufwendiger Menüs fehlt. Ein selbstgekochtes Essen, ein schön gestalteter Essplatz und ausreichend Zeit für das Essen gemeinsam mit der Familie oder Freunden sind mir sehr wichtig und für mich unabdingbar für eine gute Lebensqualität“, sagt Prof. Dr. Stephanie Hagspihl.

„Damit ein Konzept in der Seniorenverpflegung nachhaltig positiv wirkt, muss es sich voll und ganz an den Bewohnern orientieren“, sagt Stephanie Hagspihl. Hierbei müsse die Küche und Pflege neben der Essbiografie jedes Einzelnen die individuellen Energie- und Nährstoffbedarfe, körperliche und mögliche psychische Einschränkungen beachten. Bei den Bewerbungen um die Auszeichnung „Botschafter emotionaler Genuss“, die teilnehmende Senioreneinrichtungen am Wettbewerb „Vom Kostenfaktor zum Glücksfaktor“ erhalten können, werde sie diese Aspekte werten. Auch, ob Bewohner an der Konzeption und gegebenenfalls bei der Zubereitung der Mahlzeiten beteiligt werden. „Generell ist wichtig, dass sich die einzelnen Abteilungen, die in die Verpflegung eingebunden sind, gut absprechen“, sagt sie. Und darüber hinaus genügend Zeit für Kommunikation mit den Bewohnern und Angehörigen haben. Das setze ein ausreichendes Budget für Personal voraus. Damit die Speisen zur Förderung der Gesundheit beitragen, sei Budget auch beim Einkauf der Lebensmittel entscheidend, die aus Hagspihls Sicht bevorzugt regionaler Herkunft sein sollten. Eine gute küchentechnische Ausstattung sowie die ständige Weiterbildung aller Mitarbeiter sieht sie außerdem als Basis für gelungene Verpflegungskonzepte.

Bei den Bewerbungen wird sie thematisch trotzdem offen sein: „Ich lasse mich gerne von innovativen Ideen und kreativen Konzepten begeistern. Wichtig für mich ist, dass die Konzepte die Verpflegungsqualität steigern und die Lebensqualität in stationären Einrichtungen verbessern“, sagt Hagspihl. Auch außerhalb des Wettbewerbs fände die promovierte Ökotrophologin es wünschenswert, wenn die Lebens- und Verpflegungsqualität von Senioren in Deutschland erhöht werden könnte. Zum Beispiel durch Angebote, die individuelle Bedarfe und Bedürfnisse, gerade bei der Verpflegung von Menschen mit Demenz oder Kau- und Schluckstörungen, stärker berücksichtigen. Oder dadurch, dass Essen an sich und die Arbeit der an der Planung und Umsetzung beteiligten Personen – innerhalb einer Einrichtung und der Gesellschaft allgemein – mehr wertgeschätzt werden würden. Damit die Verpflegungsqualität von Senioren in Deutschland steigt und auch in Zukunft genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen, müssten aus ihrer Sicht mehr attraktive Ausbildungsplätze in der Küche und der Hauswirtschaft geschaffen werden. Eine insgesamt bessere finanzielle und personelle Ausstattung des Verpflegungsbereichs sei entscheidend.

Doch viele Verbesserungen seien auch sofort und ohne zusätzliche Ressourcen möglich wie beispielsweise ein sensiblerer und nachhaltigerer Umgang mit Lebensmitteln, Energie, Wasser, Hilfsmitteln und vor allem Personal. Zu diesem Thema hat sie auch im Rahmen des kürzlich abgeschlossenen Projekts „Ökologische Hauswirtschaft in der Gemeinschaftsgastronomie“ der INVIA-Akademie geforscht. Hier wurde nach Möglichkeiten gesucht, wie ausgewählte Modelleinrichtungen auf eine nachhaltige Wirtschaftsweise umgestellt werden können. Als ein Ergebnis des Forschungsprojektes wurde auch ein Analysemodul erstellt, mit dem jeder Betrieb seinen Ist-Stand zum Ressourcenschutz ermitteln und Soll-Werte aufstellen kann, die zu den Gegebenheiten und Abläufen im Arbeitsalltag passen.

Aktuell beschäftigt sich die Wissenschaftlerin im Rahmen des Projekts VeWoLA – Versorgungs-, Wohn- und Verpflegungskonzepte für ein selbstbestimmtes Leben im Alter – mit der Frage, wie es gelingen kann bis ins hohe Alter selbstbestimmt zu leben. „Die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung geht mit einer Zunahme von Hilfs- und Pflegebedürftigkeit einher. Nicht immer vermögen persönliche und familiäre Ressourcen den entstehenden Unterstützungsbedarf aufzufangen, wodurch die Bedeutung alternativer Versorgungs-, Wohn- und Verpflegungskonzepte in regionaler Verantwortung wächst“, beschreibt Hagspihl den Hintergrund des Projektes, das Teil des Innovationschwerpunktes „Soziale Innovation als Voraussetzung für Lebensqualität und Gesundheit“ im Regionalen Innovationszentrum Gesundheit und Lebensqualität Fulda (RIGL-Fulda) ist. Ziele der Arbeit sind haushaltsnahe Dienstleistungen und bedürfnisgerechte Angebote der Lebensmittel- und Speisenversorgung, digitale und technische Assistenzsysteme sowie zielgruppengerechte Wohnkonzepte zu untersuchen, die einen wichtigen Beitrag dazu leisten können, im Alter ein hohes Maß an Selbstbestimmtheit und damit Lebensqualität zu gewährleisten.