Kau- oder Schluckstörung?
Verweigern Senioren die Nahrungsaufnahme, kann das verschiedene Gründe haben.
Viele Senioren lehnen beispielsweise das Essen ab, wenn sie neu in eine Senioreneinrichtung einziehen.
Medikamente oder ein schlechter Gemütszustand können ebenfalls Gründe für die Ablehnung von Speisen sein. Was geschieht, wenn jedoch mehr dahintersteckt – zum Beispiel eine Kau- oder Schluckstörung?
Bei einer Kau- und einer Schluckstörung handelt sich um zwei verschiedene Krankheitsbilder mit unterschiedlichen Ursachen, was sich auf die Behandlung auswirkt. Die Folgen sind jedoch dieselben: Es drohen Mangelernährung, Dehydration und Gewichtsverlust. Die ErnSTES-Studie (Ernährung in stationären Einrichtungen) zeigte im Jahr 2008, dass knapp zwei Drittel der Senioren und Seniorinnen in stationären Einrichtungen von Mangelernährung betroffen sind oder die Gefahr besteht, dass es zu einer Mangelernährung kommen kann. Zudem gehen der Genuss und die Freude am Essen verloren – Faktoren, die wesentlich zur Lebensqualität von Senioren beitragen.
Kaustörungen
Im Jahr 2008 litten 20 % der Senioren und Seniorinnen in stationären Einrichtungen unter Kaubeschwerden. Während des Kauvorgangs werden die Speisen zerkleinert und durch den Speichel, der aus der Nahrung einen Brei macht, schluckfähig gemacht. Dabei werden der Geschmack und das Aroma des Lebensmittels freigesetzt. Bei einer Kaustörung hingegen beeinträchtigt die unzureichende Zerkleinerung der Speisen den Geschmack und die Verdauung.
Ursachen für Kaubeschwerden können sein: Zahnverluste, schlecht sitzende Prothesen, Druckstellen im Mund, Krankheiten des Mundraums, Rachens oder der Speiseröhre oder auch Mundsoor. All diese Faktoren können manchmal schon durch die Verbesserung der Mundhygiene und/oder eine Zahnsanierung behoben werden.
Es können aber auch Ursachen wie eine verminderte Speichelbildung im Alter, das Absinken des Kiefergelenks, eine eingeschränkte Kraft und Ausdauer der Kaumuskulatur oder Lähmungen infolge eines Schlaganfalls vorliegen.
Schluckstörungen (Dysphagien)
Eine Schluckstörung liegt vor, wenn die Fähigkeit zu schlucken eingeschränkt oder ganz abhandengekommen ist. Beim Schluckvorgang wird der Eingang zur Luftröhre automatisch abgedichtet. Ist dieser Mechanismus gestört, können Speisen, Flüssigkeit und Speichel in die Luftröhre gelangen, was schwere Erstickungsanfälle sowie Lungenentzündungen zur Folge haben kann. 30 % der über 65-Jährigen leiden an Schluckstörungen.
Essen und Trinken wird für die betroffenen Personen zu einer großen Herausforderung: Sie versuchen, sich nicht zu verschlucken, und es kommen Schmerzen beim Schluckvorgang hinzu. Die Folgen sind Appetitlosigkeit und Angst oder sogar regelrechte Panik vor dem Schlucken.
Verschiedene Krankheiten können diese Beschwerden verursachen: Schlaganfall, Tumorkrankheiten, multiple Sklerose, aber auch neurodegenerative Krankheiten wie Morbus Parkinson oder Demenz. Es gibt aktuell keine einheitliche Therapie. Die Probleme können durch Bewusstseinsstörungen, Verhaltensstörungen, eingeschränkte Wahrnehmung, Appetitlosigkeit und Medikamente verstärkt werden.
Wichtig ist es, den Bewohnern und Bewohnerinnen Aufmerksamkeit zu schenken und auf die genannten Anzeichen zu reagieren. Um eine Schluckstörung zu vermeiden, empfiehlt es sich, bei folgenden Anzeichen genauer hinzusehen: Eine belegte oder raue Stimme, häufiges Nachschlucken, Husten und Räuspern während der Mahlzeit sprechen bereits für die Erkrankung.
Essen und Trinken bei Schluckstörungen
Ziele bei der Behandlung der Beschwerden sind, die Nahrungsaufnahme zu sichern und Mängel zu vermeiden. Können die betroffenen Seniorinnen und Senioren ihr Essen genießen, erhält das nicht nur ihre Lebensqualität, es schützt auch die Atemwege.
Dabei unterschieden wird zwischen Therapien, die sich rein auf die Lebensmittelauswahl sowie auf Ess- und Trinkhilfen konzentrieren, und Therapiemaßnahmen, bei denen die betreffenden Personen selbst aktiv werden müssen: Sprachtherapien, Bewegungstraining und Stärkung der Muskulatur, das Erlernen von speziellen Schlucktechniken sowie Haltungsänderungen. Die Maßnahmen können häufig problemlos in das Bewegungsangebot eingebaut oder durch Logopäden unterstützt werden.
Die Anforderungen an die Küche steigen, wenn zu den Tischgästen Bewohner mit Kau- oder Schluckbeschwerden zählen. Auf dem Markt gibt es aber verschiedene Dickungsmittel, um passierte Kost zuzubereiten, ebenso wie Convenience-Produkte, die vor Ort nur noch regeneriert werden müssen, sogenanntes Smoothfood.
Je nach Ausprägung der Krankheit unterscheiden sich die Anforderungen an die Konsistenz der Nahrungsmittel. Folgende Stufen werden im Groben unterschieden:
- Angepasste Normalkost – überwiegend feste Speisen
- Weiche Kost – Verzicht auf besonders harte Lebensmittel
- Fein pürierte Kost (Brei) – Konsistenz lässt sich im Mund leicht zerdrücken
- Pürierte und passierte Kost – ausschließlich faserfreie und glatte Kost in feinst passierter homogener Form
Neben der Auswahl geeigneter Nahrungsmittel empfiehlt es sich auch, auf die Atmosphäre beim Essen und die Körperhaltung der Senioren zu achten. Eine aufrechte Körperhaltung mit leicht nach vorn (im 45-Grad-Winkel) geneigtem Kopf und mit im 150-Grad-Winkel aufgestellten Beinen unterstützt den reibungslosen Schluckakt. Bei bettlägerigen Senioren ist es ratsam, den Oberkörper hochzulagern.
Durch Sinnesanregung (siehe „Die Kraft der Düfte – Aromatherapie in der Seniorenbetreuung“) können der Appetit und die Motivation zum Essen gesteigert werden. Angst und Nervosität nehmen ab, wenn die betreffenden Personen Ruhe und Zeit sowie die entsprechende Unterstützung (durch Ess- und Trinkhilfen oder durch das Pflegepersonal) beim Essen haben.
Quellen:
- BestCon Food GmbH (2017): Konsistenzstufenplan für Speisen, online abgerufen am 1. November 2018 unter https://www.bestcon-food.de/fileadmin/content/pdfs/Konsistenzstufenkarte.pdf
- Cantemir S., Laubert, A. (2017): Diagnostik und Therapie der Dysphagie. In: HNO 4/2017, S. 347–355
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (2015): DGE Praxiswissen – Essen und Trinken bei Kau- und Schluckstörungen im Alter, 2. Auflage, Bonn
- Pflug, C., Flügel, T., Nienstedt, J. C. (2017): Entwicklungen in der Dysphagiediagnostik – Vorstellung eines interdisziplinären Konzepts. In: HNO 7/2018
- Titelbild: BestCon Food GmbH